WKSA #2: Spät aber doch, ich nähe ein Weihnachts”kleid”

Es ist ruhig geworden hier: seitdem ich mehr arbeite, ist die Nähmschine leider praktisch verstummt. An der liebgewordenen Weihnachtskleidnähaktion möchte ich mich aber trotzdem beteiligen, auch wenn ich den ersten Termin gleich mal verpasst habe.

Was habe ich vor? Diesmal kein Kleid. Da ich so wenig Zeit zum Nähen habe, möchte ich etwas machen, was ich auch im Alltag regelmäßig tragen kann: ein Tellerrock und ein Wickelbluse. Für die Bluse will ich  den bewähren Schnitt Vogue 8833 verwenden. Diesmal in violett. Stoff ist schon besorgt. Und Schnitt ist ja praktischerweise auch schon angepasst (hoffentlich finde ich die Schnitteile wieder).

Wickelbluse 1

Vorbild Vogue 8833

Was den Rock betrifft, habe ich schon länger die Idee, einen Tellerrock aus einem Tweedstoff zu nähen, ähnlich wie in Lena Hoscheks “the Brits”-Kollektion. Die hatten wir nämlich vor kurzem beim Tweedride dabei (Erkennt ihr das Model? Genau… Das Schönste: sie und ihre Truppe hatten offensichtlich Spaß.) Und ich mochte die Röcke sehr (einen wollte ich mir gleich schon kaufen, aber ich fürchte es gibt ihn nicht mehr in meiner Größe).

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Lena Hoschek: The Brits

Allerdings habe ich noch keinen Stoff gefunden, der mich wirklich überzeugt hätte. Ich hätte gerne einen in einem schönen Blau, Violett oder Dunkelgrau. Gefunden habe ich immerhin einen schwarz grau karierten Wollstoff in etwas dünnerer (und wahrscheinlich schlechterer) Qualität. Sollte mir bis Weihnachten nichts anderes mehr über den Weg laufen, nehme ich erstmal den. So und jetzt fange ich mit dem Zuschnitt an!

Sommerrock Sew-Along: langer Tellerrock

Jetzt habe ich arg ausgelassen: nur beim ersten und beim letzten Termin dabei zu sein, ist natürlich keine ernstzunehmende Sew-Along-Teilnahme. Zeigen möchte ich meinen langen Tellerrock trotzdem, er ist nämlich schon jetzt ein Lieblingsstück und war total schnell genäht.

Tellerrock

langer Tellerrock

Genäht habe ich ihn aus zwei Halbkreisen, in die ich wiederum einen Halbkreis geschnitten habe, dessen Durchmesser sich aus meinem Bauchumfang von 85cm (abgenommen von einem gut sitzenden Rock) berechnet hat (Formel siehe unten). Dazu überall 1 cm Nahtzugabe. Ich habe das mal versucht aufzuzeichnen, ich hoffe es ist klar, was ich da gemacht habe, ansonsten bitte nachfragen.

Schnittmuster Tellerrock

“Schnittmuster” Tellerrock

Aufgezeichnet habe ich die Kreislinien mit Hilfe eines Nähmaßbandes. Zuvor habe ich den Stoff einmal gefaltet, so dass ich nur einen Viertelskreis zeichnen musste. Oben habe ich einen einfachen Bund angenäht, und ich habe mich dieses mal für einen Nahtreißverschluss entschieden, dann trägt er nicht so auf und der Bund wird hübscher. Außerdem habe ich die Rocklänge diesmal etwas kürzer gewählt ( 95 cm) dann wird er vielleicht auch nicht so schnell von der Rolltreppe gefressen 😉 Unten habe ich den Stoff einfach eng zweimal umgeschalgen und festgenäht. Gebraucht habe ich fast 4,5 Meter Stoff.

Ich finde, er schwingt ganz toll und ist bei sommerlichen Temperaturen genau das richtige Kleidungsstück.

Tellerrock2

lange Tellerröcke schwingen..

So und jetzt gehe ich mir endlich die anderen Röcke anschauen, die im Rahmen des Sew Along entstanden sind!

Sommerrock SewAlong

Der Sommerrock-Sewalong auf der Seite des Memademittwoch kommt mir sehr gelegen, denn erstens wollte ich mir ganz dringend noch einen zweiten langen Tellerrock nähen (der erste hat sich seitlich in der Rolltreppe verhängt – diese Warnschilder, auf dene  Frauen mit langen Röcken abgebildet sind, sind also echt ernst zu nehmen 😉 – und hat deswegen jetzt schwarze Flecken, die nimmer rausgehen) und zweitens wollte ich diesmal unbedingt auch den Prozess dokumentieren. Bei der Lektüre meiner Seitenstatistiken ist mir nämlich aufgefallen, dass einer der häufigsten Suchbegriffe, die zu meiner Sreite führen, “Tellerrock lang” ist, oft verbunden mit der Suche nach einer Nähanleitung. Da scheint es also Bedarf zu geben.

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langer Tellerrock…bevor ihn die Rolltreppe gefressen hat

Was habe ich vor: ich habe hier noch 7m eines schönen, dünnen, blauben Stoffes liegen ( Baumwollbatist?) der eigentlich mal ein Jahrhundertwendehauskleid werden soll- aber wenn ich ehrlich bin: Hauskleider (= Kleidung mit der ich mich nicht aus dem Haus traue) habe ich genug und meine Jahrhundertwendegarderobe ist eigentlich auch von ausreichender Größe und Vielfalt ;-). Den nehme ich. Futterstoff habe ich vielleicht auch noch irgendwo, oder ich verzichte diesmal drauf, solche Röcke trägt man ja doch nur im Sommer. Im Gegensatz zum ersten Rock werde ich diesesmal keinen Gummibund machen, sondern einen Reißverschluss einnähen. Dann kann ich ihn auch einmal mit sichtbarem Bund tragen. Bin gespannt, ob sich noch weitere Tellerrocknähende zu mir gesellen und wieviel Mxiröcke dabei sein werden.

Vogue Wickelbluse V8833

Für das vorletzte Weihnachtskleid hatte ich bereits überlegt, mir einen Wickelbluse nach dem Vogue-Schnitt 8833 zu nähen, habe mich aber dann doch dagegen entschieden. Beswingtes Fräulein hat mir damals entscheidende Hinweise gegeben zum Verlegen der Brustabnäher, die ich nun endlich umgesetzt habe. Nach einigen entmutigenden Versuchen mit gekauften Blusen und sogar einer sauteuren Maßbluse (die dann doch wieder über der Brust klaffte, zu sehen hier) bin ich froh, mit dieser Wickelbluse endlich eine annehmbare Lösung meines Blusenproblems gefunden zu haben, was man mir glaub auch ansieht 😉

Wickelbluse 1

Vogue 8833 (frisch gebügelt)

Wickelbluse2

am Ende des Tages (= nimmer frisch gebügelt)

Wickelbluse3

von der Seite

Wickelbluse4

von hinten

So und jetzt schaue ich damit beim Memademittwoch vorbei.

“Guilty Dressing”- oder: was wir irgendwie mit schlechtem Gewissen tragen

Farben

Pelz – wenn auch fake

Ein Freund hat mich mit einem interessanten Geständnis auf ein bedenkenswertes Phänomen aufmerksam gemacht: es gibt Kleidungsstücke (und ich rede jetzt nicht von irgendwelchen unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen gefertigten Trendteilen- das ist ein ganz anderes Thema), die wir gerne tragen (würden) und die eine besondere Faszination auf uns ausüben, in denen wir aber ungern gesehen werden, weil wir uns aus irgendeinem Grund dafür schämen und/oder genieren. Bei diesem Freund sind das Lederjacken (er ist Vergetarier mit Hang zu Veganismus) und alte Armeemäntel (ich nehme an, er ist Pazifist). Lederschuhe würden ihm wahrscheinlich nicht dieselben Skrupel bereiten und diese Armeesachen sind ja auch teilweise wirklich praktisch, funktional und schön- trotzdem…

Mir geht es ein wenig so mit dem Kunstpelzteilen, die ich so gerne trage. Ich fürchte mich immer davor, die Leute könnten denken, sie wären echt (und vor kurzem bin ich auf einer Parade das erste mal deswegen beschimpft worden – warum ich ein totes Tier um den Hals trage). Noch schlimmer: vor ein paar Wochen war ich sogar in Versuchung, mir in einem Second Hand Laden einen echten Pelzkragen zu kaufen (wahrscheinlich Fuchs, aber ohne Kopf und Pfoten)- hab mich sogar bei dem ganz und gar unfeinen Gedanken erwischt, meine Freunde hätten sich inzwischen daran gewöhnt, dass ich falschen Pelz trage, die würden gar nicht merken, dass es ein echter ist. Nun ist der Fuchs schon lange tot und hatte wahrscheinlich ein freies gutes Leben und ich esse ja sogar Wild. Trotzdem würde ich mich mit einem solchen Kragen irgendwie schuldig fühlen.

Welche Kleidungsstücke es sind, mit denen wir nicht “erwischt” werden sollen, ist wahrscheinlich ja nach Kultur und Subkultur anders. In den USA ist Cultural Appropriation beispielsweise ein großes Thema (siehe zum Beispiel hier), ich hätte nicht das Gefühl , dass man sich hierzulande allzuviel Gedanken darum macht. Andersherum ist Military und Camouflage in den USA kein Problem, in Deutschland udn Österreich aber für viele durchaus ein Fall von “guilty dressing”. Ja und dann gibt es den großen Bereich der Kleidung aus Tieren/tierischen Produkten (Seide ist da auch so ein  Thema). Oder vielleicht auch der sexy oder trashigen oder romantischen Kleidung, die man insgeheim mag, aber sich nicht damit nach draußen traut.

Habt Ihr das auch, Kleidung, die Euch  an Euch gefällt, die Ihr Euch aber schämt zu tragen? Und wie geht Ihr damit um? Ich bin sehr gespannt!

Jahrhunderwende beim Prater-Blumencorso

Ein Wort vorneweg, falls hier Reenactor oder seriös-ambitionierte Kostümer mitlesen sollten: mir geht es nicht um ein authentische Darstellung einer Person der Jahrhundertwendezeit, ich weiß, dass ich das mit meinen Mitteln (auch was meine Nähfähigkeiten angeht) nicht erreichen kann. Und das ist auch nicht mein Ziel. Einige der Kleidungsstücke, die ich hier zeige, sind aber immerhin nach historischen oder historisch informierten Schnitten entstanden und für mich war schon das ein sehr interessantes Erlebnis: auszuprobieren, wie es sich anfühlt, diese Kleidungsstücke zu tragen, sich darin zu bewegen und ja: darin Rad zu fahren.

Was hat es mit dem Radfahren auf sich (nein, keine Angst, nicht schon wieder ein Tweedride 😉 – oder zumindest nicht im engeren Sinne). Der Prater Wien (und zwar nicht der grüne Parter sondern der Wurschtl-Prater, also der Vergnügungspark mit dem Riesenrad) hatte 250 Jahr- Jubiläum, und zu diesem Anlass wurde nach einer alten Tradition ein Blumencorso mit blumengeschmückten Kutschen, Traktoren und vor allem Oldtimern organisiert. Sehr gut gekannt haben dürften die Parter-Leute diese Tradition allerdings nicht, denn der erste Blumencorso war in Wirklichkeit ein Fahrradcorso. Und darauf wollten wir Tweedrider aufmerksam machen und haben deswegen kurz vor (oder besser: kurz nach) Anmeldeschluss uns und unsere Räder noch reinreklamiert. Ja und da dieser Radcorso in den 1890er-Jahren durchgeführt wurde, lag Jahhundertwende-Kleidung nahe.

 

Hut

Blumenhut

Solche Ereignisse gehen bei mir (ich weiß nicht wie das bei Euch ist?) nicht ohne “last-minute-sewing” und so habe ich am Vorabend noch einen Unterrock “erweitert” (um mehr Bewegungsfreiheit zu haben), einen Riss im Überrock genäht und einen Strohhut mittels Heißkleber mit Blumen und Vögeln verziert. Das war das erste mal, das ich was mit Heißkleber gemacht habe und ich muss sagen: ich liebe heißkleben, nichts leichter und lustiger als heißkleben, ich könnte den ganzen Tag immerzu nur heißkleben…(andere Heißklebefans hier?)

Außerdem habe ich mir für den nächsten Tag eine Liste geschrieben, was ich in welcher Reihenfolge vorbereiten will, inklusive was ich in welcher Reihenfolge anziehe (im Ernst! Listen schreiben finde ich fast genauso toll wie Heißkleben). Das habe ich dann auch fotografisch dokumentiert, wollte ich Euch doch endlich mal das Korsett zeigen, das ich bereits letztes Jahr fertiggestellt habe. Nun ist das Problem bei einem Korsett, vor allem einem Unterbrustkorsett: egal was man drunter anzieht (und ja, Korsetts wurden früher nicht auf der Haut getragen), es sieht so eindeutig nach Unterwäsche aus, dass man einfach ein komisches Gefühl dabei hat, sich damit im Internet zu zeigen. Andererseits: was tut man nicht alles für die (historisch interessierte) Nähbloggerinnen-Community…Hier also mein Laughing Moon 113 Unterbrustkorsett als erste Lage (zunächst locker geschnürt, zu meinen Erfahrungen zum Ankleiden ohne Zofe später mehr).

Korsettvonvorne

Unterbrustkorsett Laughing Moon 113

KorsettvonderSeite

Korsett von der Seite

Korsett2

Korsett von hinten

Als zweite Lage kam ein Unterrock (nach der Lektüre dieses Artikels habe ich mir gewünscht, ich hätte mehr als einen) und die Bluse vom Weihnachtskleid 2014.Für den Unterrock habe ich kein historisches Schnittmuster verwendet, und Kostümern werden bei seinem Anblick die Haare zu Berge stehen: ich habe ihn einfach irgendwie genäht und irgendwelche Rüschchen dran gemacht und ihn, als ich realisiert habe, dass er zum Radfahren zu eng sein würde, mittel irgendwelcher “Godets” erweitert. Aber ich glaube, er hat seinen Zweck  ganz ordentlich erfüllt: zu wärmen und dem Rock etwas Form zu geben.

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nächste Lage: Bluse und Unterrock

Die Bluse wird hinten mittels Häkchen und Bindeband geschlossen. Etwas, was man unmöglich – und hier wird die Schichtspezifität der Kleidung damals sehr eindrücklich – alleine hinbekommt. Ich habe also nur die beiden Häkchen geschlossen, die sich selbst erreichen konnte und habe am Veranstaltungsort auf der Toilette eine nette Dame getroffen, die mir damit geholfen hat und auch das Korsett nochmals festgezogen hat (eigentlich hatte ich in Ermangelung einer Radkollegin einen Radkollegen gebeten, mir zu helfen, der war dann erleichtert (oder vielleicht auch ein klein wenig enttäuscht? ;-))).

Drüber dann der 3-Bahnen-Rock, den ich hier schon einmal gezeigt habe, und ein Second-Hand-Trachtenjäcken was ich als “einigermaßen passend” dazu gekauft hatte.

letzte Lage

oberste Schicht: 3-Bahnen-Rock und Wolljäckchen

Ja und weils der kälteste Tag seit 3 Wochen war und werden sollte, drüber noch ein Cape einen falschen Pelz, leichte Strümpfe, warme Strümpfe, Regenschirm, Handschuhe…

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gerüstet für dne Blumencorso

Getroffen haben wir uns in einer Messehalle, wo am Tag zuvor alle Fahrzeuge von bestimmt Hunderten von Floristen- und Floristinnenhänden liebevoll und aufwändig geschmückt worden waren.

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mein geschmücktes Falke: so schön wird es nie wieder aussehen

Und ein jedes sah anders aus! Großartig!

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was für eine Opulenz

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mein geschmücktes Falke und ich

Bevor es losging, haben wir noch ein paar Bilder mit ein paar echten Hardcore- Reenactors (oder Theater-Schauspielern?) gemacht, die mit viel mehr Ernst bei der Sache waren als wir Banausen (und uns entsprechend “nicht mal ignoriert haben” wie der Wiener so schön sagt).

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Blumencorso – gleich geht es los

Der Corso selbst war dann, ach ich wünschte ich könnte schreiben “großartig, ein einmaliges Erlebnis” denn eigentlich, ich gebs ja zu, ist es einer meiner Kindheitsträume, bei einem großen Umzug mitzufahren, Bonbons zu werfen und alle klatschen und freuen sich. tatsächlich: eher so mittel. Denn erstens: Bonbons werfen war verboten. Zu gefährlich (ich wäre eh überfordert gewesen mit Schirm und Hut und Rad und dann auch noch Bonbons). Zweitens: Der Zug hat sich in langsamem Schritttempo bewegt. Eh gut für die Zuschauer. Für Radfahrer, noch dazu für so bewegungseingschränkte wie mich, eine Katastrophe, ständig auf und wieder absteigen und dazwischen mühsam Schlangenlinien fahren. Drittens: hinter uns fuhr ein Traktor, auf dem eine riesige Plastikstelze montiert war, unter der zwei muntere Gesellen die allerfurchtbarste Pseudovolksmusik zum Besten gegeben haben. Nach einer Stunde nur noch schwer auszuhalten (nein: eigentlich von Anfang an nicht auszuhalten). Viertens: diese Kaiserverehrung bei solchen Anlässen nervt (und erschreckt mich auch, ich möchte dann nicht Teil dieser Veranstaltung sein, sonst denken die Leute noch, ich fände das gut…). Wenns nur irgendein lustiges Nachspielen alter Begebenheiten wäre: meinetwegen. Aber in solchen Momenten, wenn die historisch kostümierte Blaskapelle die alte Kaiserhymne spielt (ihr wisst schon: “Gott erhalte Franz den Kaiser”, die Melodie kennt man irgendwo her ;-)) und alle zum gemeinsamen Hofknicks aufgefordert werden, hat man tatsächlich das Gefühl: hier wollen nicht wenige den Kaiser zurück. Und das ist einfach nur gruselig. Bleiben also eher gemischte Gefühle.

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nach der Parade: erschöpft, mit aufgelöster Frisur und glücklich (dass es geschafft ist)

Zuletzt zur vielleicht wichtigsten Frage: wie kann man in Korsett und langem Rock radfahren? Erstaunlich gut. Zwar ist das Aufsteigen etwas mühsam und ich habe mich ein paar mal mit dem Absatz im Unterrock verfangen, aber das Fahren selbst ging dann gut und mein Rock hat sich auch nicht in den Speichen verfangen. Problematisch eher Hut und Schirm, dafür war zu viel Wind, so dass ich den Schirm auf den Gepäckträger verbannt habe, um eine Hand frei zu haben, um im Zweifelsfall meinen Hut festzuhalten. Das Korsett selbst war gar kein Problem, vielleicht bin ich komisch: aber ich finde das nicht einengend (war allerdings auch nicht sehr fest geschnürt) sondern durchaus angenehm.

Richtige Probleme hatte ich dann erst zuhause, wo weder Familie, noch Zofe noch irgendwelche Nachbarn da gewesen wären, um mich aus der Bluse zu befreien. Letztendlich musste ich das hintere Bindeband der Bluse durchschneiden, sonst hätte ich in Kleidern schlafen müssen.

So, und jetzt gehe ich mir anschauen, wie praktisch oder unpraktisch die anderen Damen beim MeMadeMittwoch heute angezogen sind.

 

Meine neue Tweedride-Hose – aber: Was ist eigentlich ein Tweed Ride?

Freya von  gegenwindundglitzerkram hat angeregt, mal etwas darüber zu schreiben, was ein Tweed Ride (in manchen Städten auch “Tweed Run”) eigentlich ist. Eine Anregung, der ich gerne nachkomme, sind doch die Tweedrides, an denen ich bisher teilgenommen habe (Berichte hier, hier, hier und hier), meist ihrerseits Anregung gewesen, mir irgendein verrücktes Retroteil zu nähen. Dazu passt gut, dass ich wieder mal eine Knickerbocker – die Tweedride-Bekleidung schlechthin- genäht habe, die ich heute im Rahmen des Memademittwoch trage und zeige.

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Meine Knickerbocker, mein Tweedride-Fahrrad und ich

Die ganze Sache mit den Tweed Rides und Tweed Runs begann 2009 in London mit dem ersten Tweed Run, wobei “Run” vielleicht ein wenig irreführend ist. Bei einem Tweed Run handelt es sich nicht um ein Radrennen sondern um eine gemütliche gemeinsame Fahrradfahrt in traditioneller englischer Fahrradkleidung. Das ist klassisch: ein Tweesakko und wollene “plus fours” (das sind Knickerbocker, die 4 inch (10 cm) unter dem Knie enden). Darunter eine bunte gestrickte Weste und ein Hemd, schöne Kniestrümpfe und hübsche Lederschuhe. Frauen sind entweder ähnlich gekleidet oder tragen hübsche Vintage-Kostüme oder Kleider (Zeitrahmen etwa 1910er bis 1950er Jahre), wenn möglich ebenfalls aus Wolle. Darüber hinaus sieht man jede Menge Hüte, Kappen und Hütchen,  Handschuhe aus Leder und Stoff, feine und grobe Strümpfe, zurückhaltende Eleganz oder britische Exzentrik.

Das zweitwichtigste (sorry, Fahrradfetischisten, ist so) nach der Bekleidung sind die Räder. Wer ein altes Rad (oder ein Retrorad)  sein eigen nennt, wird es beimTweed Ride/Tweed Run auch zeigen. Und wer einige Male mitgefahren ist, wird zwangsläufig ein altes Rad sein eigen nennen wollen. Und bei einem wird es nicht bleiben… Ein dürsteres Kapitel dieses Phänomens, über das ich – nicht zuletzt aus eigener Betroffenheit – lieber den Mantel des Schweigens breiten möchte.  Aber: während es keine gute Idee wäre, an einem Tweed Ride in Jeans oder gar Lycra teilnehmen zu wollen, ist man mit einem modernen Fahrrad (ja sogar einem Mountain-Bike) auf jedem Tweed- Ride gerne gesehener Gast, solange man sich stilvoll und passend zu kleiden weiß.

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“Tweedriderin (Chapette) mit nicht angemessen gekleidetem Kind ;-)”

Der Londoner Tweed Run war schnell so bekannt und beliebt, dass bereits im zweiten Jahr die Plätze auf 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer limitiert werden mussten. Inzwischen gibt es jedes Jahr eine Lotterie, bei der innerhalb von Minuten die Karten vergeben sind. Auch außerhalb Englands hat die Idee schnell Freundinnen und Freunde gefunden, und so gibt es inzwischen überall auf der Welt Tweed Runs oder Tweed Rides (Tweed Run ist ein geschützter Begriff und wird deswegen nur in wenigen Städten verwendet; Tweed Ride hingegen darf sich jede Veranstaltung nennen): von Milwaukee über Bosten, Malmö, Rotterdam, Den Haag, Stuttgart, Helsinki (siehe dazu mein Bericht hier), St. Petersburg, Moskau bis  Tokio. In Helsinki habe ich gar ein Paar getroffen, das im letzten Jahr in einem kleinen schwedischen Dorf einen Tweed Ride veranstaltet hat, zu zweit-für das nächste Jahr hoffen sie auf eine Steigerung der Teilnehmerzahl um mindestens 100%. Im deutschsprachigen Raum gibt es größere Veranstaltungen zum Beispiel in Stuttgart, Oldenburg, Berlin, Graz und natürlich Wien (3 große Tweedrides im Jahr, der nächste am 24.April 2016, dazu jede Menge kleinere Veranstaltungen).Gemeinsam ist ihnen allen, dass in sehr gemächlichem Tempo gefahren wird, meist mit einer Pause in ansprechendem Ambiente, mit Musik, Tee und Picknick. Oft finden Prämierungen der schönesten Räder, Radfahrerinnen und Radfahrer und Bärte statt und ich bin mir sicher: es ist immer ein großer Spaß und eine Augenweide, für alle, die zuschauen und mitfahren.

Manch eine wird sich jetzt fragen: und was soll das Ganze? Sind die alle verrückt geworden? Hm ja, ganz abstreiten kann ich das nicht, das macht einen großen Teil des Spaßes aus, so viele Vintage, Stil- und Radverrückte auf einem Haufen  (hier habe ich etwas dazu geschireben, warum ich die Tweed Rides so mag) . Man könnte das ganze aber auch als schöne Demonstation der Möglichkeit betrachten,  auch ohne moderne Funktionskleidung  und ohne ein Wahnsinnstempo vorlegen zu müssen, Rad zu fahren. Und nicht zuletzt als Möglichkeit, seine eigene Exzentrik auf eine sozial verträgliche Weise auszuleben 😉

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Burda Knickerbocker (112-082014-DL)

 

Zur Knickerbocker: hierbei handelt es sich nicht um eine klassische “plus four” und damit ist sie zum Radfahren eigentlich auch ein wenig zu kurz (beim Treten spannt sie am Knie). Da der Schnitt (Burda 112-082014) aber leicht zugänglich ist und mir ganz passabel passt, habe ich sie nun schon zum zweiten mal genäht. Die Gesäßtaschen habe ich auch diesmal weggelassen, und nachdem die letzte zu weit war, habe ich diese in 40 genäht, mit dem Erfolg, dass sie jetzt ezu eng ist. Den Stoff hatte ich beim  “Teppich-Rock” schon im Einsatz, dort hat er sich als katastrophal ungeeignet erwiesen, zur Knickerbocker passt er ganz gut wie ich finde.  Kratzig ist er trotzdem …

So, ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Einblick in die Welt der knickerbockertragenden Radverrückten geben. Wenn Ihr Fragen habt (zu Tweed Ride oder Hose) oder gar selbst mal mitfahren wollt und Unterstützung brauchen könnt, freue ich mich sehr über einen Kommentar (wie ich mich natürlich generell über jeden Kommentar freue).

 

 

 

 

 

 

 

 

Hollyburn aus Teppichstoff

Immer wenn mir beim Memademittwoch ein Rock besonders gut gefallen hat, stellte der sich als Hollyburn heraus. Wurde also höchste Zeit, dass ich mir selbst einen nähe. Letztes Wochenende, knapp vor einer wichtigen Konferenz, für die ich ihn unbedingt wollte, war er dann fertig. Und ich muss sagen: ich bin enttäuscht. Zum einen steht er vorne ziemlich ab, was daran liegt, dass er hoch in der Taille sitzt und da stehe ich wiederum vorne ziemlich ab ;-). Und zum anderen – und das ist das Hauptproblem – er fällt nicht schön, vor allem in der vorderen Mitte. Kommt davon, wenn man einen Stoff verwendet, den andere wohl als Fußbodenteppich verlegen würden. Da der zweite Punkt aber wirklich auf die Stoffwahl zurückzuführen sein dürfte, werde ich Hollyburn sicher nochmals eine Chance geben und vielleicht etwas mehr investieren.

Hollyburn1

Hollyburn

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…aus Teppichstoff

 

Apropos investieren: wenn ihr mal richtig viel Geld investieren wollt/könnt in einen wunderschönen Woll- oder Leinenstoff, dann sei Euch Jungmann &Neffe in Wien wärmstens empfohlen (hier gibt es noch bis zum Wochenende eine wunderschöne und sehr hörenwerte Reportage  darüber nachzuhören). Ich war vor kurzem dort um für einen Kollegen einen Schirm (teuer) zu kaufen und für meinen Mann nach Einstecktüchern und Kniestrümpfen (sehr leistbar!) zu schauen und war hin und weg vom phantastischen Interieur des Ladens und den überaus normal, netten, heilfsbereiten und überhaupt nicht schnöseligen Verkäuferinnen. Also traut Euch da rein, wenn ihr mal in Wien seid. Bevor ich allerdings einen Hollyburn aus einem Stoff von dort nähe, müssen mindestens 5 Hollyburns aus mittelteurem Nicht-Teppichstoff wunderbar gelungen sein 😉

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das muss noch optimiert werden

mein erster Tellerrock

Heute am Memademittwoch trage ich eines meiner ersten selbstgenähten Stücke überhaupt: meinen Karotellerrock (genäht nach der Tischtuchmethode, also aus einem ganzen Kreis). Ich habe ihn total oft an, es ist eines meiner meistgetragenen Kleidungsstücke (und das einzige, für das ich mal von einer Fremden ein Kompliment bekommen habe).

Die Bilder sind allerdings nicht von heute, sondern vom Wochenende in Helsinki, wo ich am Sonntag am  Winter Tweed Run Helsinki 2016 teilgenommen habe (meine Bilder davon hier!). Da ich am Freitag schon angereist war, hatte ich am Samstag Zeit für einen Stadtbummel und vor allem für einen Besuch dieses wunderbaren Museums für zeitgenössische Kunst Kiasma. Dort kam ich an dieser interessanten Spiegelinstallation vorbei und musste sie unbedingt für ein paar “melfies” (selfie with mirrow) nutzen.

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Melfie mit Tellerrock

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Frl. Notter im Kiasma in Helsink

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Spiegel im Kiasma

Hier noch ein paar Bilder von diesem wunderbaren Museum, das sich nicht nur wegen der Ausstellungen, sondern auch der Architektur und des Museumscafes (haben sogar ein eigenes Kochbuch herausgebracht) wegen lohnt.

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Kiasma Helsinki

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Menschen im Kiasma

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Kiasma Architektur

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von unten

Winter Tweed Run Helsinki 2016

Manchmal muss selbst ein Fräulein etwas ganz und gar Unvernünftiges tun. Beim Fräulein Notter hieß das letztes Wochenende: im Winter radfahren, ohne Funktionskleidung, 1500 km von zuhause entfernt, im für unsere Verhältnisse beinahe arktischen Helsinki. Die ganze weite Reise nur für den Winter Tweed “Run” Helsinki und nur für ein Wochenende. Aber ich sage Euch was: es war die vernünftigste Entscheidung seit langem.

Sometimes you have to be unreasonable: driving a bike in the winter, without “functional gear” (in fact wool is very functional), 1500 kms away from home in “arctic” Helsinki. The long journey only for one weekend and only for the Winter Tweed Run Hesinki 2016. But it proved to be one of the best decisions ever!

In Helsinki angekommen war es erstmal tatsächlich kalt, glatt und schnell mal dunkel, so dass selbst sie

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die Dame in meinem Zimmer

gefroren hat und ich sie

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mit Mütze und Schal versorgt

habe.

In fact ist was cold, slippery and dark (at least for me- the head of tweed run apologised for not beeing able to provide a real winter)

Nach einem ausführlichen Saunagang am Abend (bei dem ich gelernt habe, dass in Finnland Kinder und sogar Hunde in die Sauna gehen), einem kräftigen Frühstück am nächsten Morgen (inklusive Fleischbällchen!) und vor allem, nachdem ich mein rosa Pashley Poppy von diesem tollen Radladen, der mir das phantastischerweise  umsonst zur Verfügung gestellt hatte, abgeholt (und vorsichtig über Eisplatten zum Hotel geschoben) hatte, war ich schon wieder zuversichtlicher was den nächsten Tag betraf.

After being to the sauna, a hearty breakfast and after having collected my pink Pasley Poppy from this gorgeous bike shop I felt more confident concerning the next day.

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“mein” Pashley Poppy in pink von classicbike.fi

Außerdem habe ich in einem Second Handladen einen netten Rucksack gefunden für all die Ersatzsocken, Ersatzschuhe, Schirme etc. die ich zu brauchen glaubte.

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mein neuer Rucksack mit Handschuhen Britta

Am Sonntag dann nochmal ordentlich gefrühstückt (Hering, Reiskuchen, Speck, Obst, Haferbrei, Beerensauce und noch mehr Fleischbällchen) einen einigermaßen befahrbaren Radweg ausfindig gemacht und zum Senaatintori, dem Wintertweedrun Treffpunkt geradelt.

On sunday I had a huge breakfast with all those finish specialities, found a bike lane to the city center and drove to the Senaatintori, where the Tweed run was supposed to start.

Dort erstmal ein wenig schüchtern gewesen. Schließlich bin ich ein Fräulein und die finnischen Männer schienen mir auch eher wild und verschlossen (Frauen sind außer mir nur zwei weitere mitgefahren). Doch dann wurde es eigentlich wirklich nett und mit jedem Kilometer und jedem Getränk netter.

Arriving there I was kind of shy first. Those finish men looked kind of wild (only three women participating) and shy themselves but that changed kilomter by kilometer and drink by drink 😉

Und jetzt, man möge es mir verzeihen, folgt eine Bilderflut:

And now, I`m sorry about that, too much pictures:

 

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erste Beratungen

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Hochradgespräche

Katja aus Russland

Katja aus Russland

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vollkommene Eleganz

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einfahren

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letzte Anweisungen

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los gehts

Dann eine Pause bei einer Galerie (warm, pipi) und Genuß diverser mitgebrachter “stärkender Getränke”

First break at a art galerie (warm, wee ;-)) and consumption of various strengthening liquids.

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süßer starke estnischer Kräuterlikör

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Estnischer Teilnehmer mit estnischem Kräuterlikör, finnischer Teilnehmer nach estnischem Käuterlikör

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Fräulein Notter nach estnischem Kräuterlikör

Nach circa 4 km immer an der Küste entlang mit Blick auf nebelverhangende zugefrorene Meer

After a 4km-ride with view to the frozen foggy sea we arrived at the Recatta-hut and had warm beverages and cinnamon rolls

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Ankunft

an der

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Recatta- Hütte

dort Kaffee, warmen Saft und Zimtschnecken

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am Holzfeuer

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mit elegantem Herren

Und ich traue mich endlich, um ein Foto mit dem elegantesten Herrn der Gruppe zu bitten

And I finally I dared to ask for a photo with the most elegant chap of the group

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clashing colours- Rad am Meer

Mein Rad dagegen ruht sich aus und schaut verträumt aufs zugefrorene Meer.

My bike meanwhile dreamt by the seaside

Der letzte Programmpunkt (vor dem obligatorischen Pubbesuch natürlich) war der Besuch einer wunderschönen Jugenstilvilla am Meer, mit einem bezaubernden kleinen Ballsaal, in dem – ist das nicht eine ganz wundervolle Idee – nächstes Jahr ein Tanztee im Anschluss an den Tweed Run stattfinden könnte. Wenn die das schaffen, dann bin ich nächstes Jahr wieder dabei!

As last activity (before we drove to a pub of course) we visited a encredibly beautiful turn of the century villa with an adorable small “ballroom” where – what a great idea! – a afternoon dance is supposed to be held next year after the tweed run. If you should make that happen I´ll attend again next year!!!

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Villa Paulig

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Kamin im “Ballsaal”

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dort tanzen- ein kleiner Traum würde wahr

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welcher Ort könnte besser passen

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ich sehe uns alle schon in Tanzkleidern diese Treppe herunterkommen

Der härteste , unwirklichste und wahrscheinlich schönste Tweedride, den ich ich je erlebt habe. Danke! Kitos!

The hardest (the finish probably laugh now), most unreal and probably most beautiful Tweedride I ever attended. Thank you! Kitos!

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Gruppenbild mit Hochrad Winter Tweed Run 2016

Thanks a lot also to Katja for the photos of me and to the unknown main photographer, who took the group photo with my camera.

Einen ausführlichen Bericht zu Ablauf und Strecke findet Ihr hier.